Samstag, 18. Februar 2023

Outback time

Australien Landschaft

Von roter Erde, fliegender Vergangenheit und abgeschliffenen Steinen.

Mildura To Silverton 8
Mildura To Silverton 1

Weiter Richtung Norden

Nach unserem Aufenthalt im Mungo Nationalpark übernachteten wir nochmals eine Nacht in Mildura, bevor wir über 300km nordwärts ins beschauliche Silverton fuhren. Je weiter wir kamen, desto karger wurde die Natur um uns herum. Der Rotton der Erde wurde immer mehr sichtbar. Die Trucks (hier öfters als „Road Train“ angeschrieben), welche uns ab und zu begegneten, hatten zwei oder sogar drei Anhänger. Sie brausten mit ihren riesigen Känguru-Abwehraufbauten in einem solchen Tempo an uns vorbei, dass es uns nicht wunderte auch hier in der Abgeschiedenheit entlang der Strasse immer wieder Kadaver der hüpfenden Tiere zu begegnen 😢. Im Allgemeinen wird davon abgeraten in der Dämmerung und in der Dunkelheit ausserhalb von grösseren Ortschaften zu fahren, um Begegnungen mit Kängurus, die für normale Autos resp. Autofahrer durchaus tödlich sein können, zu vermeiden.

Silverton, unser nächster Stopp, liegt knapp 20km nördlich von Broken Hill, dem gefühlt letzten „grösseren“ Ort bevor die Strasse weiter in die Einöde der Mitte Australiens führt. Ursprünglich hatten wir uns überlegt von Broken Hill aus weiter in die Mitte nach Alice Springs zu fahren. Nach längeren Recherchen und einigen Gesprächen mit Australiern, die uns alle davon abrieten mitten im Hochsommer in diese Trockenheit und Hitze hinauszufahren, entschieden wir uns nach Broken Hill gegen Osten zu ziehen.

Unterwegs nach Silverton

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Silverton

Silverton selbst hat gemäss Schild am Ortsrand um die 50 Einwohner und erinnerte uns stark an Westernfilme. Auch das Mad-Max-Museum, welches leider bis Ende des Sommers geschlossen hatte, passte thematisch perfekt in diesen Ort. Einige Esel streiften freilaufend durch die Ansiedlung und tranken schliesslich genüsslich aus grossen Wassereimern direkt neben der einzigen lokalen Bäckerei. Auf der gegenüberliegenden „Strassenseite“ kreierten diverse Bauten eines Künstlers und längst zerfallene Ruinen den Eindruck, als wären wir bereits in einer postapokalyptischen Welt. Wahrscheinlich war es genau diese Einöde und Abgeschiedenheit, weshalb der zweite Mad-Max Teil wirklich um Silverton und Broken Hill gedreht wurde. Viel musste dafür wohl kaum hergerichtet werden…

Eindrücke von Silverton

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Im lokalen Campingplatz konnten wir uns den Stellplatz aussuchen, denn nebst uns gesellten sich später nur noch zwei weitere Parteien mit Zelten dazu. Hier besuchten uns die quietschlebendigen, teils fast ein bisschen nervenden, aber doch unterhaltsamen Apostelvögel das erste Mal. Diese graugefiederten Gesellen haben ihren Namen erhalten, da sie anscheinend oft zu zwölft umherziehen. Uns erinnerten die Vögel, welche so Nahe kamen, dass man aufpassen musste nicht auf sie drauf zu stehen, mehr an „Angry Birds“ 😉. Auf den umliegenden Eucalyptusbäumen tummelten sich rotgraue Kakadus, Galah genannt 🤗. In der Abenddämmerung gesellten sich auch noch einige weisse Kakadus dazu und krächzten mit den Galahs auf den obersten Ästen der Bäume um die Wette, bis die Sonne hinter dem Horizont verschwand und sich die Nacht herabsenkte.

Vogel­paradies auf Camping­platz

Unterwegs nach Cobar

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Cobar 1

Cobar

Von Silverton aus führte unsere Route 500km ins östlich gelegene Cobar. Unterbrochen von einem kurzen Tankstopp in Wilcannia und einem Mittagessen bestehend aus Beef-Pie‘s (aus der Bäckerei in Silverton) in einer Raststätte mitten im Nirgendwo, fuhren wir gefühlt den ganzen Tag. Auf der Strasse begegneten uns nebst zwei „Over-Size“-Lastwagen mit einer Fracht über die gesamte Strassenbreite auch wieder diverse Ziegen, welche sich manchmal sehr viel Zeit liessen, die Strasse zu verlassen. Bei Cobar selber handelt es sich um eine Minenstadt, in der verschiedene Metalle abgebaut werden. Nach der langen Fahrt waren wir müde und liessen den Abend bei einem feinen Nachtessen und unter Beobachtung von einem „Pack“ Apostelvögel ausklingen.

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Trangie

Der nächste Morgen führte uns über viele Landstrassen weiter gen Osten nach Trangie. Während dieser Fahrt wurde die Natur nach und nach wieder grüner, wenn auch der Rotton der Erde immer noch an vielen Stellen durchschimmerte. Trangie ist ein kleines Städtchen gebaut im „Pioneer“-Stil, wie dies hier genannt wird. Nach einem quietschroten Würstchen in einer Art Corndog, den sich Simon aus dem lokalen Spar (ja gibt es hier tatsächlich 😂) genehmigte, suchten wir den Campingplatz auf. Beim Kochen resp. beim Aufbau des Gas-Campingkochers entdeckten wir eine Redback-Spider (australische „Schwarze Witwe“-Spinne) im Gas-Aufbewahrungskasten. Diese ist hochgiftig und mittlerweile in ganz Australien verbreitet. Nun ja, seit dieser Begegnung schauen wir immer ganz genau hin, bevor wir etwas aus den Aussenkästen des Campers nehmen… 🕷️☠️

Gerne hätten wir das Städtchen noch etwas genauer angeschaut, aber bei Temperaturen um die 40° bevorzugten wir den Schatten der Bäume auf dem Campingplatz 🥵. Dafür gönnten wir uns am Abend bei Sonnenuntergang doch noch eine Runde Schach auf dem riesigen Spielbrett ♟️😊. Bevor wir dann, nach einem kleinen Schwatz mit drei sehr, sehr schwer verständlichen Aussies (und dies lag nicht nur an ihrem Bierkonsum..), endlich in unser Dachzelt verschwanden.

Narromine Aviation Museum 13
Narromine Aviation Museum 7

Fliegende Vergangenheit

In einem kleinen, lokalen Käseblatt in Trangie wurde Simon auf eine Attraktion aufmerksam: ein Fliegermuseum! Dieses befand sich in einem kleinen Ort namens Narromine, welches per Zufall eh auf unserer Strecke zum nächsten Ort lag. Dort angekommen bemerkten wir, dass sich das Museum in einem Hangar am Rande eines erstaunlich grossen Flugfeldes befand. Was es damit auf sich hatte, erklärte uns der, zu unserem Glück, anwesende, etwas ältere Kurator des Museums, namens Peter. In Narromine befindet sich einer der ältesten Flugplätze Australiens. Segelflieger aus aller Welt strömen noch heute regelmässig an den Rand des Outbacks, nur um die exzellenten thermischen Bedingungen auszunutzen.

Die Grösse erhielt der Narromine Airport allerdings während des Zweiten Weltkriegs, als dieser verschlafene, kleine Ort zu einem von fünf Ausbildungsstandorten für die britischen RAF Piloten auserwählt wurde. Diese wurden zwar nur auf dem erfolgreichen Jagdbomber “de Havilland Mosquitto” trainiert, da man aber auch für eine allfällige Ausbildung von Bomberpiloten bereit sein wollte, wurde das Flugfeld massiv vergrössert.

Während die Ausstellungen zu diesen Themen sehr spannend und umfangreich waren, war es aber eine andere Attraktion, welche Simons Neugierde initial weckte: ein originalgetreuer und flugfähiger (!!) Nachbau eines Wright Model As von 1908. Eine Familie aus Narromine interessierte sich scheinbar so stark für Luftfahrt, dass sie kurzerhand beschlossen dieses ikonische Fluggerät selber zu bauen. Der Stolz von ganz Narromine war aber auch der Jungfernflug, dem sogar Buzz Aldrin höchstpersönlich beiwohnte! Seither wurde das frühe Flugzeug immer wieder zu speziellen Anlässen aus dem Hangar geholt und einmal sogar für eine japanische Werbung beim Fliegen gefilmt.

Ein weiteres Highlight war, dass ein ehemaliges Mitglied des lokalen Flugzeugclubs während des Ersten Weltkriegs in der Einheit gedient hatte, welche den Roten Baron abschoss. Und so kann man noch heute, in diesem kleinen Hangar am Rande des australischen Nichts ein Stückchen rotes Stofftuch vom grössten Jagdflieger des Ersten Weltkriegs bewundern. Darauf war und ist Peter besonders Stolz!

Für uns war dieser Besuch einmal mehr die Bestätigung, dass man viele spannende Dinge nur sieht, wenn man sich abseits der breiten Touristenpfade bewegt und sich lokale Tipps einholt. Ansonsten wären wir, wie wahrscheinlich viele andere vor uns, einfach quer durch dieses Städtchen am Rande des Outbacks durchgefahren.

Narromine Aviation Museum

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Coonabarabran

Unser nächstes Ziel nach dem Abstecher auf Narromine war Coonabarabran. Oder auch einfach „Coona“ von den Einheimischen genannt. Wir erreichten Coona nach einer knapp zweistündigen Reise von Narromine aus. Hier war es, dass wir uns zum ersten mal ans Waschen auf einem Campingplatz wagten. Neben den sehr hohen Kosten, 6$ pro Wäsche / Trockengang, war vor allem das Abschätzen der benötigten Zeit sehr mühsam. So verbrachten wir den ganzen Nachmittag und Abend auf dem Campingplatz und verschoben die Exkursion auf den nächsten Tag.

Immerhin war dieser „Holidaypark“, so werden Campingplätze in Australien genannt sobald sie mehr als nur eine Toilette als „Annehmlichkeit“ haben (also z.B. mit Pool), relativ gross und auch hier zeigten sich uns wieder interessante Tiere. Unter anderem konnten wir diverse Vogelarten wie Noisy Miners, Galahs, sowie viele Magpies beobachten., Eine unerwartete Begegnung hatten wir mit einer riesigen Gottesanbeterin, welche es sich auf unserem Raddeckel beim Fahrer gemütlich gemacht hatte und sich nur sehr widerwillig auf einen Stecken aufladen und zum nächsten Baum transportieren liess. 😅

Flora & Fauna in Coona

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Geschliffene und ausgehöhlte Felsen

Der Grund weswegen wir nach Coonabarabran gekommen sind, war natürlich nicht der Campingplatz mit Waschmöglichkeiten 🙈🙃, sondern die wunderschönen Sandstone Caves im Pilliga Nature Reserve, das sich direkt an Coona anschliesst. Obwohl so nah auf der Karte, mussten wir doch nochmals eine halbe Stunde fahren, um zum Parkplatz in der Nähe der Sandstone Caves zu gelangen. Ab da ging es zu Fuss weiter auf einem breiten Trampelpfad durch den Wald. Entlang des Pfades waren die Spuren des letzten Waldbrandes noch deutlich sichtbar. Überall waren verkohlte Baumstämme zu sehen. Erstaunlich war aber, dass aus einigen jedoch bereits wieder neue Triebe empor schossen 😯.

Schliesslich gelangten wir zu den Felsen die mal mehr mal weniger stark vom Wind abgeschliffen worden waren. Wie wir von angebrachten Tafeln erfuhren, waren diese schon seit tausenden von Jahren den Aborigines bekannt und werden bis zum heutigen Tage von ihnen verehrt. Auch nutzten die Aborigines die Felsen früher um ihre Steinwerkzeuge zu schleifen. Grösstenteils wurde der Sandstein jedoch durch Wasser und Wind ausgehöhlt. Uns erinnerten die schönen, geschwungenen Gebilde sehr an die Standard-Hintergrundbilder von macOS 🤓 Das tat ihrer Schönheit aber kein Abbruch und wir genossen den Ausflug trotz der brutalen Hitze entlang des Felsens.

Sandstone Caves

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Pilliga Pottery

Als weiterer Ausflugsort wurde uns ein Besuch auf der Pilliga Farm / Pottery empfohlen. Da der Besuch der Sandstone Caves nicht zu lange gedauert hatte, beschlossen wir den Besuch in den Rückweg einzubauen. Die Fahrt zur Töpferei war sehr abenteuerlich und einmal mehr waren wir froh um den Vierradantrieb unseres Muggerlis. So kämpften wir uns also eine halbe Stunde vorbei an Schlaglöchern, umgefallenen Bäumen und Sträuchern und über Strassen, welche links und rechts weggeschemmt waren. Und dann fanden wir diesen eigenartigen Ort! Die wilde Landschaft beruhigte sich etwas und zwischen den Bäumen tauchten vereinzelte Gebäude auf. Nach einer ausladenden Kurve standen wir vor einer Ansammlung von Häusern und Unterständen, welche sich fremdartig von der Umgebung abhoben. Dies lag zum einen daran, dass die meisten Bauten entweder rund oder mit viel Töpferware verziert waren, zum anderen weil man in einer solch verlassenen Gegend nicht damit rechnet auf Menschen zu stossen.

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Im angebauten Restaurant erfuhren wir mehr über diesen Ort. Vor rund 40 Jahren reiste eine kleine deutsche Familie durch die Gegend und verliebte sich sofort in die Wildnis. Zurück in Deutschland verkauften sie all ihr Hab und Gut und liessen alles hinter sich um nach Australien auszuwandern. Auf dem erworbenen Grundstück, welches anscheinend so gross wie Belgien sein soll, errichteten sie eine Töpferei. Bald kam das Restaurant hinzu. Bald die Cottages. So wuchs die Siedlung immer mehr bis zu ihrer heutigen Grösse. Haupteinnahmequelle sei aber nach wie vor die Töpferei, welche wir im Anschluss ebenfalls kurz besuchten. Leider machten die Anwesenden Künstler und das Personal nicht gerade den freundlichsten Eindruck und so zogen wir nach zwei, drei sehr kühlen Interaktionen wieder von dannen. Noch während wir uns über den Abenteuerweg zurück Richtung Zivilisation manövrierten, waren wir uns einig, dass der Weg zur Töpferei das eigentliche Highlight des Ausflugs war. Getreu dem Motto: Der Weg ist das Ziel! 🚗😊

Pilliga Pottery 9
Pilliga Pottery 10

Interessanterweise haben wir in der Pilliga Pottery ein Buch von einem Schweizer entdeckt, der um 1870 herum 19 Jahre lang durch Australien gereist ist. Wie wir später erforscht haben, gibt es dieses Buch auch in Originalfassung auf Deutsch bei Google Books. Es ist gut geschrieben und gibt einen sehr spannenden Einblick wie Australien zu Pionierzeiten aussah 🤓.

Unsere Route

Mildura

Australien

Silverton

Australien

Cobar

Australien

Trangie

Australien

Narromine

Australien

Coonabarabran

Australien

Pilliga National Park

Australien

Sandsteinhöhlen 😃

Pilliga Pottery

Australien

Nachdem wir unserem Etappenziel, dem Erreichen der Ostküste, wieder einige hundert Kilometer näher gekommen waren, beschlossen wir einen, für australische Verhältnisse, kurzen Umweg einzuplanen. Und so führte uns der nächste Streckenabschnitt in die „Berge“.